Hoepner

Die militärische Karriere des Generaloberst Erich Hoepner endete abrupt im Januar 1942. Nachdem er eigenmächtig eine ihm unterstellte Einheit vor Moskau zurückverlegt hatte, um sie vor ihrer Einkesselung durch die Rote Armee zu bewahren, wurde er von Hitler persönlich aus der Wehrmacht entlassen. Am 20. Juli 1944 wurde Hoepner von den Verschwörern im Bendlerblock zum Befehlshaber des Ersatzheeres ernannt, nicht ohne darauf zu bestehen, eine schriftliche Ernennungsurkunde zu erhalten. Am 8. August 1944 wurde er hingerichtet.

Dem Krieg gegen Polen stand Hoepner äußerst aufgeschlossen gegenüber, am 1. 9. 39 schrieb er seiner Frau: „Wir wollen hoffen […] dass aber das Ganze für Deutschland gut ausgeht. Die Polenfrage muss ja einmal gelöst werden“ (Bücheler 80, Herv. im O.). Das galt auch für den Krieg gegen die Sowjetunion, an dem Hoepner als Kommandeur der Panzergruppe 4 teilnahm, die zunächst mit dem Vorstoß auf Leningrad befasst war und im weiteren Verlauf aus Moskau marschierte.
Kritik an Hitler äußerte Hoepner nur selten, meist handelte es sich dabei um militärfachliche Kritik, er äußerte aber auch seine Enttäuschung angesichts des Befehls, Leningrad nicht zu erobern, sondern „nur“ abzuriegeln: „Das ist insofern ärgerlich, als wir nun schon wieder um das äußere Zeichen des Sieges geprellt werden“ (Bücheler 141).

„Unser deutsches Volk erhalten“

Verschiedene Tagesbefehle Hoepners an seine Truppe geben Grund, ihn als Scharfmacher zu bezeichnen, der das Phantasma vom „jüdischen Bolschewismus“ teilte. In einem Befehl vom 2. Mai 1941 bezeichnete er etwa den bevorstehenden Krieg als den „alte[n] Kampf der Germanen gegen das Slawentum, die Verteidigung europäischer Kultur gegen moskowitisch-asiatische Überschwemmung, die Abwehr des jüdischen Bolschewismus.“ Dieser Kampf, so Hoepner weiter, müsse vom „eisernen Willen zur erbarmungslosen, völligen Vernichtung des Feindes geleitet sein.“ Insbesondere dürfe es „keine Schonung für die Träger des heutigen russisch-bolschewistischen Systems“ geben (Ueberschär, 162).

Am Vorabend des Angriffs auf die Sowjetunion schärfte er seiner Truppe ein, sie trete zum Kampf an, „den wir Germanen gegen das bolschewistische Slaventum führen müssen, um unser deutsches Volk und unsere Nachkommen zu erhalten.“ (Ueberschär, 170)

Der Kommissarbefehl wurde von Hoepners Einheiten offenbar anstandslos umgesetzt, der Abwehroffizier der Panzergruppe meldete am 8. Juli 1941 „101 erledigt“ (Steinkamp 49). Einen Monat nach Beginn des Überfalls hieß es in einem Funkspruch des Ic: „[..] werden vom 22. 6. – 19. 7. 41 einschl. gemeldet 172 erledigt“ (Steinkamp, 59). Anderslautende Einschätzungen, etwa des sehr apologetisch schreibenden Hoepner-Biographen Bücheler, demzufolge Hoepner gesagt haben soll: „Das [die Umsetzung des Kommissar-Befehls] machen wir eben nicht!“ (Bücheler 138) sind nicht zu halten.

Völkerrechtswidrige Handlungen beging Hoepners Truppe auch im Rahmen der Partisanenbekämpfung – obwohl in den ersten Monaten des Krieges von einer organisierten Partisanenbewegung noch kaum gesprochen werden kann. Im Juli wurde einer Einheit von einem Gefecht bei Gdow berichtet, es sei eine „organisierte Bande“ angetroffen worden, „die teils in Uniform, teils in Zivil am Kampfe teilnahm. Uniformierte wurden wie Soldaten behandelt, die Zivilisten nach bisher vorliegenden Meldungen erschossen“. Da die nicht uniformierten Kämpfer ganz offensichtlich aufgrund der übrigen Umstände – Bewaffnung, Integration in einen organisierten Verbund uniformierter Kämpfer – als solche zu erkennen gewesen waren, hätten sie als Kombattanten behandelt werden müssen.

„Vor allem Juden“

Wie auch bei anderen Befehlshabern, galt das Verfolgungs- und Vernichtungsinteresse Hoepners insbesondere der jüdischen Bevölkerung. In einer Anordnung vom 6. Juli 1941 erklärte der Stab, dass Sabotagefälle „einzelnen kommunistischen Elementen, vor allem Juden, anzulasten“ seien (Krausnick, 192).

Auf einen Angriff auf einen LKW der Stabswache reagierte die Panzergruppe mit einer Racheaktion: Das in der Nähe des Angriffs, dem zwei deutsche Soldaten zum Opfer gefallen waren, liegende Dorf Straschewo wurde auf Anordnung Hoepners „dem Erdboden gleichgemacht“, wie es einer Bekanntmachung Hoepners vom 4. August 1941 hieß. (Ueberschär, 174f). Im Kriegstagebuch der Panzergruppe hieß es außerdem, dass „einige Partisanenverdächtige [sic] Einwohner erschossen“ wurden (Steinkamp 55).

Ein Sicherungsbefehl Hoepners vom 4. August 1941 enthielt unter anderem „Richtlinien für Sicherung und Durchführung von Säuberungen“. Darin wurde unter anderem angeordnet: „Häuser, aus denen geschossen wird, grundsätzlich niederbrennen, die dort angetroffenen männlichen Personen werden erschossen und die übrigen Ortseinwohner zur Untersuchung abgeführt“ (Ueberschär, 178, Herv. im Original).
Der gleiche Befehl übertrug die „Sicherung und Säuberung“ im rückwärtigen Gebiet der Panzergruppe der 285. Sicherungsdivision (Ueberschär, 175). Dieser Division fielen im August und in der ersten Septemberhälfte „mehrere hundert Partisanenverdächtige zum Opfer“, außerdem brannte sie „Dutzende von Dörfern“ nieder (Steinkamp, 56).

Angesichts dessen hätte es wohl kaum noch des Funkspruchs des Ia der Panzergruppe bedurft, der am 12. 11. 41 die unterstellten Armee- und Panzerkorps ermahnte: „Jede Weichheit in der Partisanenbekämpfung muss schinden. Partisanenverdächtige Elemente sind zu erschiessen [sic] und nicht an die Gefangenensammelstellen abzugeben.“ (Ueberschär, 190f)

Die Bekämpfung in den Wäldern verborgener Partisanen erwies sich als durchaus schwierig. Hoepner reichte deshalb, ebenfalls am 4. August 1941, einen Vorschlag zur „Bekämpfung von Partisanen“ ein, in dem er auf die Notwendigkeit hinwies, Mittel einzusetzen, „mit denen diese Walddickichte `ausgeräuchert` werden können“. Nach einem Hinweis darauf, dass die Partisanen höchstwahrscheinlich nicht über Gasabwehrmittel verfügen, kam Hoepner zu dem Schluss: „Ein Einsatz von Blaukreuz zum Verschuss aus den Nebel- und Granatwerfern gegen Partisanennester kann daher außerordentlich wirkungsvoll und erfolgversprechend sein. Das Kommando der Panzergruppe bittet um Überprüfung, in welchem Umfang Reizstoffe (etwa Blaukreuzart) für die Bekämpfung des Bandenunwesens zur Verfügung gestellt werden können“ (Ueberschär, NS-Verbrechen 178f),

Blaukreuzkampfstoffe waren bereits im Ersten Weltkrieg eingesetzt worden. Dem Vorschlag, einen Giftgaskrieg zu entfachen, ist die Führung der Heeresgruppe nicht gefolgt.

Literatur:

* Heinrich Bücheler: Hoepner. Ein deutsches Soldatenschicksal des zwanzigsten Jahrhunderts. Herford 1980
* Helmut Krausnick: Hitlers Einsatzgruppen. Die Truppe des Weltanschauungskrieges 1938-1942, Frankfurt am Main 1989
* Peter Steinkamp: Die Haltung der Hitlergegner Generalfeldmarschall Wilhelm Ritter von Leeb und Generaloberst Erich Hoepner zur verbrecherischen Kriegführung bei der Heeresgruppe Nord in der Sowjetunion 1941, in: Gerd R. Ueberschär (Hg.): NS-Verbrechen und der militärische Widerstand gegen Hitler, Darmstadt 2000, S. 47-61
* Gerd R. Ueberschär (Hg.): NS-Verbrechen und der militärische Widerstand gegen Hitler, Darmstadt 2000