Stauffenberg

Claus Schenk Graf von Stauffenberg, derjenige, der am 20. Juli die Bombe im Führerhauptquartier deponierte, ist fraglos der Held für die Bundeswehr und die veröffentlichte Meinung. Anders als viele andere der Attentäter war Stauffenberg praktisch in keiner Verwendung, die ihm Gelegenheit zu verbrecherischen Befehlen gegeben hätte. Ob er sie erteilt hätte, soll hier nicht behauptet werden. Den „Kommissarbefehl“ beispielsweise hat er offenbar abgelehnt, ob er ihn offensiv sabotiert hätte, muss dahingestellt bleiben. Oberste Maxime allerdings war auch für Stauffenberg, das „deutsche Interesse“ zu wahren.

Zu einer Glorifizierung Stauffenbergs, wie sie seit Jahren betrieben wird, besteht jedenfalls keinerlei Anlass. Wir stellen hier keine Biographie vor, sondern beschränken uns darauf, einige Details aus seinem Wirken und Denken vorzustellen, die als Gegengewicht zur offiziellen Heldenverehrung dienen mögen.

Wie die meisten anderen Reichswehrangehörigen hat auch Stauffenberg den Beginn der NS-Diktatur begrüßt. Im Juni 1933 schrieb er an seinen Dichter-Fürsten Stefan George: „jeder der für seine Herrschaft einen sicheren sockel sich baut, ist ob seiner klugheit zu loben“, es komme „auf einige jahre und einige menschenleben und schicksale mehr oder minder nicht an“ (Müller 106)

Noch 1936 habe Stauffenberg eine „deutliche Affinität zum Hitlerschen Programm“ gehabt, fasst sein Biograph Christian Müller zusammen (Müller, 105).
„Hitler hatte mit dieser Riesenarbeit [Revision Versailles, D zur Großmacht] begonnen und Stauffenberg erteilte ihm im großen und ganzen durchaus seine Zustimmung.“ (Müller, 138)

Leben wie Gott in Frankreich

Daran, Frankreich anzugreifen, hatte Stauffenberg nicht viel auszusetzen. Aus dem besetzten Land berichtete er im Mai 1940: „Uns geht es köstlich. Wie sollte es auch anders sein bei solchen Erfolgen. Sehr wenig Schlaf, der heute nacht etwas nachgeholt werden konnte. Viel sehr guten Rotwein, weißer Burgunder und Sekt.“ (Müller, 179)

Den Krieg gegen die Sowjetunion wollte Stauffenberg unbedingt gewinnen. Auch zu einem Zeitpunkt, zu dem er bereits ein Attentat auf Hitler befürwortete, wie aus einem Bericht seines Bruders Berthold Stauffenberg ersichtlich wird: „Er [Claus Stauffenberg, F. B.] sagt, zuerst müssen wir den Krieg gewinnen. Während des Krieges darf man so was [einen Staatsstreich, F. B.] nicht machen, vor allem nicht während eines Krieges gegen die Bolschewisten.“ (Müller 216)

Stauffenberg gab sich alle Mühe, sowjetische Kollaborateure für den Sieg des Deutschen Reiches zu organisieren. Mitte August 1942 erließ er als Chef der Gruppe II der Organisationsabteilung des OKH einen Befehl über die „landeseigenen Hilfskräfte im Osten“, Anfang September eine Verfügung über „turkische Einheiten im rückwärtigen Gebiet“. Diese besagte:

1) Turk- und Kosakeneinheiten zum Kampfeinsatz zulassen
2) „landeseigene Sicherungsverbände“: rückw. Gebiete, Einsatz gegen Partisanen
3) landeseigener Ordnungsdienst als Exekutivorgan lokaler dt. Militärstellen
4) „Hilfswillige“: Einheimische und entlassene Kriegsgefangene, freiwillig zu technischen Diensten bei deutschen Truppen (Müller 241)

Biograph Müller bietet auch eine Erklärung, warum es mit dem Attentat so lange gedauert hat: Der Staatsstreich sollte vorbereitet sein, auf keinen Fall ein isoliertes Attentat durchgeführt werden, um nicht die „Verteidigung und Kriegführung des Landes lahm zu legen, der außenpolitischen Bedrohung seitens der Kriegsgegner Tür und Tor zu öffnen“ (Müller 260)

Am 20. Juli 1944 führte Stauffenberg ein Manuskript mit sich, dessen Inhalt die Gestapo folgendermaßen zusammenfasste:
„Bei Fortsetzung des gegenwärtigen Krieges sei eine Niederlage und Vernichtung der materiellen und blutsmäßigen Substanz unausbleiblich. Das drohende Verhängnis könne nur durch Beseitigung der jetzigen Führung abgewendet werden. Die vom Nationalsozialismus zunächst vertretenen Ideen seien großenteils richtig gewesen, nach der Machtergreifung jedoch ins Gegenteil verkehrt worden.“
[…] Nach einem Regimewechsel sei es das wichtigste Ziel, dass Deutschland noch einen im Spiel der Kräfte einsetzbaren Machtfaktor darstelle und insbesondere die Wehrmacht in der Hand ihrer Führer ein verwendbares Instrument bleibe.“ (Müller 348f)

Literatur:
Christian Müller: Oberst i. B. Stauffenberg. Eine Biographie, Düsseldorf o. J. (1970)