Offiziersopposition

Die Beteiligung von Angehörigen der Offiziersopposition an Verbrechen der Wehrmacht

Dass der Zweite Weltkrieg kein „Krieg wie jeder andere“ war, sondern von deutscher Seite, insbesondere was den Feldzug gegen die Sowjetunion betrifft, als Vernichtungskrieg geplant und von der Wehrmacht schließlich auch auf den nichtsowjetischen Kriegsschauplätzen als solcher geführt wurde, ist heute auch in der Öffentlichkeit nicht mehr strittig. Was zuvor schon historischer Forschungsstand war, wurde nicht zuletzt von der ersten Ausstellung „Verbrechen der Wehrmacht“ des Hamburger Instituts für Sozialforschung einem breiten Publikum vermittelt.

Die von deutschen Einheiten begangenen Verbrechen lassen sich in unterschiedliche Kategorien einordnen, wobei die Übergänge in der Regel fließend sind. Zu diesen Kategorien sollen in dieser Arbeit – hierin weitgehend der Systematik des Hamburger Instituts folgend – folgende gehören:
– die so genannte Partisanenbekämpfung
– die Vernichtung der jüdischen Bevölkerung
– der Hungerplan sowohl gegen die sowjetische Zivilbevölkerung als auch gegen die sowjetischen Kriegsgefangenen
– der Komplex der „verbrecherischen Befehle“

An dieser Stelle soll noch einmal betont werden, dass die Art und Weise, wie deutsche Truppen, Polizei-, SS- und Wehrmachtseinheiten, in der Sowjetunion, vor allem auf dem Gebiet des heutigen Belorussland, gewütet haben, in der Geschichte beispiellos ist. Es wurden Verbrechen in bislang unbekanntem Ausmaß begangen; die intensive Beschäftigung mit diesen kann auch „abgebrühte“ Historiker kaum kalt lassen. Die Art und Intensität der Verbrechen ist derart überwältigend, dass die völkerrechtlichen Kategorien der damaligen – wie auch der heutigen – Zeit sie gar nicht erfassen können. Auf die Bestimmungen der Haager Landkriegsordnung von 1907, der Genfer Rotkreuzabkommen von 1929, des Pariser Abkommens von 1928 sei hier nur hingewiesen. Dass sich die Täter des Vernichtungskrieges im Übrigen auch nach den Bestimmungen des deutschen Militärstrafgesetzes in der Fassung von 1942 strafbar gemacht haben (§ 47 verbot die Ausführung von Befehlen strafbaren Inhaltes), ist ebenfalls ein Aspekt, dem hier nicht weiter nachgegangen wird.

Worum es hier gehen soll, ist die Frage, inwieweit sich Angehörige der Offiziersopposition dem verbrecherischen Charakter des Krieges angepasst haben, mehr noch: inwiefern sie sich die Vernichtung nicht nur als Mittel, sondern auch als Zweck des Krieges zu eigen gemacht haben. Es wird zu zeigen sein, dass die zum Teil kritiklose Übernahme zentraler Elemente der nationalsozialistischen Ideologie durch Angehörige der Offiziersopposition diese zu funktionalen Trägern der Vernichtungsmaschinerie gemacht hat. Die Verschwörer waren ins Räderwerk der Wehrmacht fest integriert und haben dort in aller Regel das getan, was von ihnen erwartet wurde und was sie als ihre „Pflicht“ begriffen. Dass einzelne von ihnen in einzelnen Fällen Mordaktionen verhindert haben oder verhindern wollten, soll damit nicht bestritten werden. Es blieben dies aber Ausnahmen, die ihre Kriegsverwendbarkeit im Sinne des FHQ und OKW nicht weiter minderten. Dabei muss darauf hingewiesen werden, dass die bei Tätern niedrigerer Ebenen beliebte Ausrede vom Befehl, den es auszuführen gegolten habe, für die thematisierten Offiziere erst recht nicht angewandt werden kann: Auch sie haben zwar Befehle erhalten, mehr noch aber haben sie Befehle erteilt. Aufgrund ihrer hohen Stellung innerhalb der militärischen Hierarchie wäre es ihnen möglich gewesen, verbrecherische Befehle zu behindern, zu verwässern, in den Schubladen verschwinden zu lassen oder sie unter Hinweis auf übergeordnete militärische Erfordernisse zu umgehen. Dies ist jedoch kaum geschehen. Stattdessen haben Angehörige der Offiziersopposition in einer Vielzahl von Fällen eigene Initiativen zur Begehung von Verbrechen entwickelt.