Die Tageszeitung junge Welt führte ein Interview mit unserem Mitarbeiter Günther Schütz zu den Ereignissen vom Montag. Hier der volle Wortlaut:
Die Polizei hat am gestrigen Montag in Berlin einen linken Buchladen durchsucht, um Dokumente Ihres Vereins zu beschlagnahmen. Was war der Anlaß?
Die Polizei wollte herausfinden, welche Person unsere Homepage www.bamm.de betreibt. Im Impressum steht die Adresse des Buchladens, und deswegen ist nun dessen Computer beschlagnahmt. Hintergrund ist ein Flugblatt mit dem Titel »Feste feiern, wie sie fallen«. Darin haben wir dazu aufgerufen, am Ehrenmal der Bundeswehr Schampus zu trinken, wenn der nächste Soldat in Afghanistan »fällt«.
Das mag der eine oder andere geschmacklos finden – aber was soll daran strafbar sein?
Im Durchsuchungsbeschluß wird uns vorgeworfen, »den im Ausland stationierten Soldaten der Bundeswehr ein Lebensrecht abzusprechen und durch den Aufruf zum Feiern auch das Sicherheitsgefühl der Bundeswehrangehörigen und deren Familien stark zu beeinflussen«. Strafrechtlich kommt man uns mit Volksverhetzung und Beleidigung. Politisch ausgedrückt ist es viel einfacher: Die BRD führt Krieg, und da soll es unversöhnlichen Antimilitaristen an den Kragen gehen, da scheut der Staat vor keinem Gummiparagraphen zurück. Denn es ist ja nicht so, daß wir mit der Schampusflasche in der Hand den Soldaten auflauern.
Der Aufruf stieß ja auch in der linken Szene auf geteilte Reaktionen. Was waren denn Ihre Beweggründe?
Die Bundeswehr führt einen ehrlosen Krieg. Sie ist als Besatzungsarmee in Afghanistan einmarschiert und trifft zwangsläufig auf bewaffneten Widerstand. Ihre Aufstandsbekämpfung wird immer brutaler, das haben wir ja beim Massaker vom Kundus-Fluß im letzten Jahr gesehen, wo bis zu 140 Menschen unterschiedslos umgebracht wurden – »vernichtet«, wie Oberst Georg Klein das genannt hat; das Ermittlungsverfahren gegen ihn wurde ja am gestrigen Montag eingestellt.
Lebensrecht und Sicherheitsgefühl der Afghanen, um die Wortwahl der Staatsanwaltschaft aufzugreifen, werden von der Bundeswehr Tag für Tag verneint. Aber stirbt ein deutscher Soldat, kriegt er seinen Heldenplatz im Ehrenmal. Das ist doch pervers! Wer ohne Not in ein anderes Land einmarschiert, dem sprechen wir jegliche Berechtigung ab, sein Handeln für ruhmreich zu halten.
Die Bundeswehrführung versucht, Soldaten mit öffentlichen Gelöbnissen, der Verleihung von Tapferkeitsmedaillen im Eisernen-Kreuz-Stil und eben mit dem Ehrenmal zu heroisieren. Wenn Politiker fast aller Parteien ständig betonen, daß die Soldaten den Rückhalt der Gesellschaft benötigen, um motiviert und erfolgreich ins Gefecht zu ziehen, sagen wir: Nein, den verdienen sie nicht, sie verdienen nicht Ruhm und Ehre, sondern Verachtung.
Das wird Soldaten aber nicht bekehren.
Nein, aktive Soldaten kaum. Aber eine solche Verächtlichmachung kann vielleicht Jugendliche, davon abhalten, zur Bundeswehr zu gehen. Und schließlich wollen wir Friedensbewegte ansprechen. Denn der Krieg dauert jetzt fast neun Jahre, unsere Aktionsformen aber stagnieren viel zu sehr auf dem Niveau der alten »Friedenszeiten« in den 1980ern. Wir brauchen neue Ideen, neue Kampagnen, und wir alle müssen uns fragen, wie wir die Heimatfront schwächen können.
Aus Ihrem eigenen Verband kamen Vorwürfe, es sei menschenverachtend, auf den Tod von Menschen anzustoßen. Was sagen Sie dazu?
Sehen wir uns an, was nach den sieben »Gefallenen«-Toden der letzten Wochen passiert ist: Kriegsminister Karl Theodor zu Guttenberg beeilt sich, zwischen seinen Krokodilstränen zu versichern, daß der Krieg unbedingt weitergehen müsse. Der deutsche Oberkommandierende in Afghanistan hat am Wochenende gesagt: »Jeder Tote macht uns noch entschlossener.« Im Klartext: Der Soldatentod wird politisch instrumentalisiert, um den Krieg noch mörderischer zu machen, mit noch mehr Toten. Das nenne ich menschenverachtend. Dagegen war unsere Aktion eine satirische Provokation, die ja schon vor zwei Wochen aufgelöst worden ist: Wir haben das Schampus-Saufen ins Haus der deutschen Wirtschaft verlegt. Denn dort hat man ja am meisten Grund, sich darüber zu freuen, wenn junge Menschen verleitet werden, für Kapitalinteressen zu töten und zu sterben.
PS: Auch in Neues Deutschland findet sich ein kurzer Artikel zur Razzia.
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