Bundeswehrgelöbnis – Zur Ehre antisemitischer Wehrmachtsoffiziere

Sie erzählen es uns jedes Jahr wieder: Die Offiziere des 20. Juli hätten „den Weg für einen Neuanfang Deutschlands“ geebnet. Gemeint ist jene Verschwörung, die am 20. Juli 1944 Hitler im Führerhauptquartier in die Luft sprengen wollte – und zwar aus lauter Gewissensbissen.
Die verhinderten Attentäter werden dargestellt als „Männer und Frauen, die in einer der dunkelsten Stunde unserer Geschichte aufstanden, Werte, unsere Werte zu verteidigen“, so zuletzt der damalige Verteidigungsminister Guttenberg am 20. Juli 2010. Das hat er zweifellos irgendwo abgeschrieben – und zwar von allen seinen Vor-Rednern in den Jahren davor, die das Attentat durchweg als „Aufstand des Gewissens“ darstellten.
Nochmal Guttenberg: „Klarheit und Zivilcourage – dies haben die Männer und Frauen des 20. Juli gelebt, und dadurch sind sie uns Vorbild geworden.“
Klarheit? Die meisten Attentäter waren glühende Anhänger der Nazis

zumindest eine Zeit lang, und zwar ungefähr so lange, bis sie zur Einsicht kamen, dass mit Hitler der Krieg verloren gehen wird. Darüber, dass die Militärs unter den Verschwörern es fertig brachten, gleichzeitig gegen Hitler Pläne zu schmieden UND alles für den Sieg der Wehrmachtstruppen zu geben UND Verbrechen an der Zivilbevölkerung in den besetzten Ländern zu planen, befehlen und auszuführen, haben Historiker in den letzten Jahren viel publiziert. Ein Henning von Tresckow etwa, nach dem heute gleich zwei Kasernen benannt sind, brachte es fertig, sich noch 1943 dafür auszusprechen, im Rahmen der Partisanenbekämpfung großflächige Gebiete in der besetzten Sowjetunion zu „toten Zonen“ zu erklären, aus denen die Bevölkerung zu deportieren sei. Im Frühjahr 1944 hatte Tresckow angeordnet, die arbeitsfähige Zivilbevölkerung im Einflussbereich seiner Truppe zur Zwangsarbeit ins Reichsgebiet zu verschleppen. Wer sich dem zu entziehen versuche, sei „als bandenverdächtig“ anzusehen – das kam einem Todesurteil gleich.
Und im Frühsommer 1944 unterschrieb Tresckow einen Befehl, der vorsah, „Jungen und Mädchen im Alter von 10 bis 13 Jahren“, die bei „Bandenunternehmen“ elternlos aufgegriffen wurden, ebenfalls „ins Reich abzuschieben“. Das illustriert eben jene Gleichzeitigkeit von Verbrechen und Opposition, die die Clique des 20. Juli auszeichnet.

Diese Leute stellten einen repräsentativen Querschnitt des damaligen Offizierskorps dar: Antidemokratisch (Kaiserreich und Faschismus lagen ihnen wesentlich näher als die Demokratie), antisemitisch, antikommunistisch in einem Maße, das ihnen keinerlei Gewissensbisse beibrachte, als ihr Führer ihnen den Angriff auf die Sowjetunion befahl. Worin sie sich vom Rest der Offiziersclique unterschieden, war lediglich, dass sie ab dem Moment, als ihnen klar wurde, dass es mit dem Endsieg nichts würde, zu opponieren begannen. Dass die einen oder anderen nicht damit einverstanden waren, dass die jüdische Bevölkerung umgebracht wurde – das mag sein, aber aus all ihren Tagebüchern, Briefen, Memoiren spricht als das wichtigste Motiv für ihre Opposition: Deutschland soll nicht den Krieg verlieren! Das größte Verbrechen, das Hitler beging, war nicht die Ermordung von Millionen Zivilisten, es war auch nicht der Krieg, sondern die Niederlage, in die Hitler – und in ihren Augen nur Hitler! – das Deutsche Reich manövrierte. Bis auf ganz wenige Ausnahmen unter ihnen haben diese Verschwörer keine Sekunde lang erwogen, den Krieg zu sabotieren, Angriffspläne zu verraten oder anderen „Landesverrat“ zu begehen. Noch am 20. Juli 1944 versuchte Stauffenberg, die Truppen an der Ostfront zu dirigieren, um den Vormarsch der Roten Armee zu verzögern und vielleicht doch noch einen „ehrenvollen Frieden“ rauszuschlagen.

Um tatsächlich „den Weg für einen Neuanfang Deutschlands“ zu ebnen, musste die Naziwehrmacht besiegt werden. Das hatten die Offiziere des 20. Juli mitnichten im Sinn. Es war nicht ihr Werk, sondern das Werk der Soldatinnen und Soldaten all jener Staaten, die gegen die Wehrmacht Krieg führten, und das Werk all jener Frauen und Männer, die in den Partisaneneinheiten kämpften.

(Literatur und Belege: Insbesondere Christian Gerlach, Kalkulierte Morde. Die deutsche Wirtschafts- und Vernichtungspolitik in Weißrußland 1941 bis 1944, Hamburg 2000, und Gerd R. Ueberschär (Hg.), NS-Verbrechen und der militärische Widerstand gegen Hitler, Darmstadt 2000.)