Achtung: Party verlegt! (Info 21.00 Uhr)

Das für heute angekündigte Schampussaufen ist verlegt worden und findet jetzt im Haus der deutschen Wirtschaft statt! Spitzenvertreter des Bundes der Deutschen Industrie haben uns darum gebeten, auf unsere Aktion zu verzichten, da es ja eigentlich die deutsche Wirtschaft sei, die am heutigen Tag am meisten Grund zum Feiern hat.

Na dann Prost!

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Wir dokumentieren das Schreiben:

„Sie müssen fallen, damit wir prosperieren können!“

Sehr geehrte Damen und Herren der DFG-VK,

unter dem obigen Motto werden Vertreter der wichtigsten deutschen Wirtschaftszweige aus Anlass der heute vermeldeten Gefallenentode das Glas erheben.

Die führenden Leistungsträger unseres Staates geben dabei ihrer Freude darüber Ausdruck, dass es immer noch genügend junge Männer und Frauen aus bildungsfernen Schichten gibt, die bereit sind, für unsere Interessen ihr Leben zu opfern. Unser Präsident                         * wird in seinem Trinkspruch seine herzlichsten Glückwünsche an die deutsche Jugend richten. Vor allem jene jungen Frauen und Männer, die von der deutschen Wirtschaft freigestellt wurden, sollen auch in Zukunft nicht nachlassen, ihre Fähigkeiten der Bundeswehr anzubieten.

Unter Einsatz aller ihrer Ressourcen haben es die führenden Unternehmerkreise dieser Republik und die von ihnen angestellten Regierungsvertreter geschafft, Kriege wieder zum akzeptierten Mittel deutscher Politik zu machen. Unserer unermüdlichen Überzeugungsarbeit ist es zu verdanken, dass die Verteidigung der für uns freien Handelswege und unser Zugriff auf Ressourcen in aller Welt zur Aufgabe deutscher Soldaten erklärt und im Weißbuch der Bundeswehr niedergelegt wurden. Zu unseren größten Erfolgen gehört es, dass gerade in Zeiten der Krise nicht am Militär gespart wird, sondern weiterhin kraftvolle Investitionen für die dringend notwendigen Rüstungsmaßnahmen getätigt werden.

Damit dies alles so bleibt, ist es unbedingt erforderlich, auch weiterhin junge Frauen und Männer aus den unteren Schichten unseres Volkes vom Dienst fürs Vaterland zu überzeugen. Aus diesem Grund bitten wir Sie, von der von Ihnen geplanten Aktion „Schampussaufen“ Abstand zu nehmen und uns das Recht des ersten Umtrunks zu überlassen.

Mit freundlichen Grüßen

                        *

Vorsitzender des Vorstands

* Heute (21.04.10) erreichte uns ein Anruf des BDI-Pressesprechers, der uns bat, die Nennung seines Vereins bzw. seiner Repräsentanten zurückzunehmen. Der BDI habe mit all dem nichts zu tun, die im Brief genannten Äußerungen stammten nicht von ihm.

Das lässt vermuten, dass sich der BDI erheblichem politischem Druck ausgesetzt sieht. Womöglich haben radikale PazifistInnen mit einem Boykott deutscher Produkte gedroht, wenn der BDI nicht sofort damit aufhöre, solche „menschenverachtenden“ (Quelle: Friedensbewegung) Parolen zu verbreiten. Wir können nur dringend appellieren, den BDI nicht für offenherzige, antimilitaristische Satire verantwortlich zu machen…

Dem                         folgt der Führer: Der Chef des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge hat uns telefonisch wissen lassen, er habe sich bereits bei den Herrschaften vom BDI angemeldet. Das Schampussaufen selbst hält auch er, Führer, für eine gute Idee, reklamiert aber ähnlich wie der BDI, ein größeres Interesse daran zu haben als die DFG-VK: Schließlich hätten die drei Jungs in Afghanistan dazu beizutragen, die Existenzberechtigung seines Vereins zu sichern.

Diesen Argumenten konnten wir uns nicht entziehen.

Wie geht es weiter?

a) Bei der Bundeswehr:

Die Soldaten, die heute „gefallen“ sind, haben das nicht umsonst getan. Zum einen sind sie ja zum Nutzen der Kapitalisten krepiert. Zum anderen läuft die Propagandamaschinerie schon an, die uns glauben machen will, diese Handwerker des Todes seien „für uns alle“, für unsere Sicherheit, den Frieden usw., gestorben.

Der Verteidigungsminister sitzt im Startloch und schickt sich an, diesen „Gefallenentod“ dafür auszuschlachten, für noch weitere Kriege zu werben.

Wenige Stunden nach der Meldung aus Afghanistan ließ Guttenberg wissen: „Angesichts von Gefechten dieses Ausmaßes wird deutlich, wie gefährlich der gleichwohl notwendige Einsatz in Afghanistan ist.“

Die Militärbischöfe feilen jetzt an salbungsvollen Reden, die die Motivation der überlebenden Kameraden und Angehörigen aufrecht erhalten sollen. Der Wehrbeauftragte des Bundestages wird erneut seine Platte abspielen und das Volk aufrufen, sich einmütig hinter „unsere“ Soldaten zu stellen und ihnen Anerkennung zu zollen. Für die Auferstehung der Karfreitags-“Gefallenen“ ist auch schon gesorgt: Am Ehrenmal werden weitere Namen eingeblendet, die Heldenschleife dauert dann drei mal zehn Sekunden länger.

Im Angesicht des „Gefallenentodes“ wollen Militär- und Politikführung, dass der Sinn des Kriegseinsatzes nicht in Frage gestellt wird. Es soll nicht danach gefragt werden, welche Verbrechen der heutige „Gefallene“ (mit) zu verantworten hat. Es soll nur noch Deutsche geben, die um deutsche Kämpfer trauern. Die Geschlossenheit von Bevölkerung und Armee wird proklamiert. Propagiert wird, weiterhin Mörder zu entsenden, Morde zu begehen, und das wird auch in Zukunft den einen oder anderen „Gefallenen“ auf der „eigenen“ Seite kosten. „Weiter so“, ist das groteske, zynische Motto der kommenden Stunden und Tage …

b) Bei uns:

Unsere Tag-Y-Kampagne findet heute einen vorläufigen Abschluss.

Wir hatten die Absicht, die öffentliche Aufmerksamkeit auf den Umstand zu lenken, dass Bundeswehrsoldaten nicht „für uns“, sondern für politische und wirtschaftliche Interessen töten und getötet werden. Wir wollten darauf hinweisen, dass noch ihr Tod von den Verantwortlichen instrumentalisiert wird.

Was wir vor allem wollten, war: Bisherigen antimilitaristischen Kampagnen ein weiteres Moment hinzufügen, das bislang aus unserer Sicht fehlt. Wir glauben, dass die Herrschenden in einem Punkt recht haben: Sie betonen ein ums andere Mal, es sei für die Kriegführungsfähigkeit eminent wichtig, dass die Bevölkerung hinter der Bundeswehr stehe. Deswegen wollen wir genau an diesem Punkt ansetzen und dazu beitragen, das Ansehen der Bundeswehr zu unterminieren. Wir wollen, dass Bundeswehrsoldaten als das wahrgenommen werden, was sie nun mal sind: Mörder (was sie ja auch selbst beim Massaker am Kundus-Fluss am 4. 9. 2009 bewiesen haben).

Um das zu erreichen, haben wir zu einem höchst provokanten Mittel gegriffen – durchaus mit dem Ziel, eine gewisse Radikalisierung bei Friedensbewegten bzw. AntimilitaristInnen herbeizuführen. Eine Debatte darüber, wie antimilitaristische Arbeit in einem Staat, der seit über zehn Jahren Krieg führt, aussehen muss, ist überfällig. Mehr Radikalität, mehr Entschlossenheit und weniger Respekt vor dem Militär ist dabei unbedingt erforderlich.

Wir werden am Thema dranbleiben und weiter an der Ächtung des Soldatentums arbeiten. Ideen für weitere provokative, die Gemüter der Soldaten erschütternde und die Gemüter der Bevölkerung aufrüttelnder Aktionen mangelt es uns nicht. Wir wollen, dass die Bundeswehr endlich aus Afghanistan abzieht, mit dem Morden aufhört und die staatlich organisierte Menschenverachtung beendet wird.

Das Motiv der Tag-Y-Aktion bleibt insoweit erhalten, als dass wir ein Plakat daraus gestalten. Dieses liegt in Berlin an den einschlägigen Stellen aus und wird auf Wunsch und gegen Portoerstattung zugesandt.

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