Ent-Heroisierung der Postheroen

von Eugen Januschke

Das Duden Fremdwörterbuch bietet für ›heroisieren‹ die Bestimmung ›jemanden als Helden verherrlichen, zum Helden erheben‹ an. Für eine antimilitaristische Strategie der Ent-Heroisierung lassen sich damit unmittelbar zwei Taktiken ausmachen: Man zeigt, dass es sich bei Soldaten gar nicht um Helden handelt, indem man ihr unheldenhaftes Tun deutlich macht. Oder man versucht direkt die gesellschaftlichen Rituale der Heldenverehrung anzugreifen. Auch lassen sich zwei Ziele einer Strategie der Ent-Heroisierung benennen: Zum einen geht es um die Demotivation von Soldaten. Zum anderen gilt es die fatale Wirkung der Heldenverehrung auf die Kriegsbereitschaft der Gesellschaft zu untergraben. Die folgenden Ausführungen wollen vorrangig die gesellschaftliche Dimension sowohl in der Taktik als auch im Ziel der Strategie der Ent-Heroisierung stärken, indem sich mit den Begriffen der heroischen und postheroischen Gesellschaft auseinander gesetzt wird.

Betont man die gesellschaftliche Dimension der Ent-Heroisierung, so bietet es sich geradezu an, einen Bezug zum Begriffspaar heroische / postheroische Gesellschaft herzustellen. Dieses wurde in Deutschland durch Herfried Münkler populär gemacht. Herfried Münkler, Prof. an der HU Berlin, Politikwissenschaftler, ist Mitglied im Beirat der Bundesakademie für Sicherheitspolitik und spielte z.B. eine hervorgehobene Rolle auf einer Tagung im Oktober 2007, die sich konstruktiv-kritisch mit dem Ehrenmal der Bundeswehr auseinander setzte, mit dem bezeichnenden Titel ›Der Tod des Soldaten als demokratische Herausforderung. Ein internationaler Vergleich‹. Münkler hielt den Abendvortrag ›Krieg und Legitimation‹. Dies legt nahe, dass man vorsichtig mit diesem Begriffspaar umgehen sollte. Gleichzeitig lohnt eine Auseinandersetzung, da sich dabei zeigt, welche Unsicherheit es bezüglich der Heldenverehrung bei einem Teil der politischen Gegner gibt.

Bei dem Begriffspaar heroische / postheroische Gesellschaft geht es um die Frage der Mobilisierbarkeit der Gesellschaft für einen Krieg, bzw. um das Ausmaß der gesellschaftlichen Toleranz gegenüber negativen Folgen eines aktuellen Krieges. Eine heroische Gesellschaft zeichnet sich nach Münkler durch eine weitgehende Mobilisierbarkeit der Gesellschaft für den Krieg und eine hohe Toleranz gegenüber negativen Folgen eines laufenden Krieges aus, insbesondere indem sie auch eine größere Anzahl eigener, zu Tode gekommener Soldaten hinnimmt. Das erste und paradigmatische Beispiel für eine heroische Gesellschaft in diesem Sinne ist das Frankreich der Französischen Revolution. In Deutschland bildet sich demnach erst etwas später eine heroische Gesellschaft im Rahmen der so genannten ›Befreiungskriege‹ (1813 bis 1815) heraus, zunächst aber stark auf das Bürgertum zentriert. Die ›klassische‹ Phase der heroischen Gesellschaft in Deutschland stellt der preußische Militarismus des Kaiserreiches dar.

Begriffliche Schwierigkeiten ergeben sich für die Einordnung des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkrieges, wenn sie lediglich als ›Pervertierung‹ der heroischen Gesellschaft betrachtet werden können. Damit sollte nochmals deutlich werden, dass die Ausführungen hier kein Plädoyer sind, den Begriff der heroischen Gesellschaft in die eigene Analysebegrifflichkeit zu übernehmen, sondern als einen Begriff der politischen Gegner wahrzunehmen, vergleichbar dem Begriff der sozialen Marktwirtschaft. Die begrifflichen Schwierigkeiten setzten sich fort, wenn sich die Frage stellt, ob das Nachkriegsdeutschland als postheroisch beschrieben werden soll oder eher als eine Überzeichnung einer postheroischen Gesellschaft. Als die ›klassischen‹ postheroischen Gesellschaften gelten die USA und GB nach dem 2. Weltkrieg. Dort gibt es keine prinzipielle Kriegsmüdigkeit, sondern den Anspruch auf Vermeidung einer größeren Anzahl von (eigenen) Opfern. Münkler hat für diese mangelnde Opferbereitschaft der postheroischen Gesellschaft eine Reihe von bedenklichen Begründungen zurechtgelegt, auf die hier nicht eingegangen werden soll.

Stattdessen werden einige Maßnahmen, die zur Steigerung der Kriegsführungsfähigkeit der deutschen Gesellschaft dienen sollen, in der Logik fußend auf Winklers Begriffspaar der heroischen / postheroischen Gesellschaft analysiert. Dabei wird jeweils angedeutet, wieso diese nicht auf eine Wiederherstellung einer heroischen Gesellschaft zielen. Münkler selbst ist in der Zielsetzung solcher Maßnahmen nicht immer eindeutig. Am konsistentesten mit seinem eigenen Ansatz ist der Verzicht auf den Versuch, zu einer heroischen Gesellschaft zurückzukehren; nicht zuletzt, weil das so selbst ihm gar nicht möglich erscheint. Ziel ist vielmehr, Deutschland zu einer ›normalen‹ postheroischen Gesellschaft zu wandeln, in der es keine prinzipiellen Bedenken gegen Kriegseinsätze gibt, solange sich die Opferzahlen in einem vernünftigen Rahmen halten. Dies kann als Teil eines Normalisierungsdiskurses zu Deutschland verstanden werden.

Münkler selbst fordert z. B. die Einführung einer ›Zivilgesellschaftlichen Währung‹, als deren konkreter Ausdruck der Kult um den toten Soldaten betrachtet werden kann. Diese soll konkurrieren mit der ›Marktwirtschaftlichen Währung‹ der dem Individualismus erlegenen Konsumgesellschaft. Dass es sich lediglich um eine zivilgesellschaftliche Zusatzwährung handelt, macht deutlich, dass die marktwirtschaftliche Leitwährung der postheroischen Gesellschaft in ihrem Vorrang gar nicht bedroht wird. Für eine klassische heroische Gesellschaft wäre allerdings eine solche Unterordnung nicht akzeptabel.
Das 2009 eingeweihte Ehrenmal der Bundeswehr in Berlin kann ebenfalls als Versuch der Etablierung einer postheroischen Gesellschaft verstanden werden, da es einerseits dem Kult um den toten Soldaten dient, andererseits sich aber stark von vergleichbaren Beispielen von Denkmälern der Heldenverehrung der heroischen Gesellschaft unterscheidet.
Ein weiteres Beispiel ist das Soldatenbild des ›multikulturellen Sozialarbeiters mit Spezialbewaffnung‹ nach Wilfried von Bredow. Dabei handelt es sich um ein der Gesellschaft zu vermittelndes Soldatenbild, das dazu dienen soll, die Akzeptanz von Soldaten und Krieg in der Gesellschaft zu erhöhen. Dieses Soldatenbild entspricht weder den Selbstbeschreibungen der Soldaten noch den ihnen angedienten Selbstbildern, deren Aufgabe darin besteht, dass diese möglichst effektiv ihren Kriegsjob erfüllen. Andererseits passt dieses Bild des multikulturellen Sozialarbeiters nicht zu den Soldatenbildern in heroischen Gesellschaften.

Bei den drei Beispielen ist deutlich, dass es sich um die Propagierung einer ›smarten‹ Form der Heroisierung handelt, die nicht die ganze Gesellschaft durchgehend militarisieren, sondern ›lediglich‹ die Akzeptanz von Kriegen, von deren Folgen und von Soldaten erhöhen will. Ziel ist nicht die Wiederherstellung eines klassischen Militarismus. Andererseits erscheinen aber einige der in letzter Zeit eingeführten Maßnahmen durchaus wie aus der Mottenkiste der klassischen heroischen Gesellschaft gegriffen. Beispielhaft hierfür sei der neu eingeführte Kämpferorden ›Einsatzmedaille Gefecht‹. Als ›Rückgriff auf den alten Kriegerkult‹ bezeichnet diesen selbst Detlef Bald, der mit Klaus Naumann, Manfred Hettling und Jost Dülffer zu den Ritualmodernisierungs-Ratgebern der Bundeswehr gehört.

Insgesamt ist davon auszugehen, dass es zwei konkurrierende, aber auch kooperierende Formen der Re-Heroisierung gibt: Eine Form der Re-Heroisierung bescheidet sich darin, dass nicht mehr als eine postheroische Gesellschaft zu haben ist. Die andere Form der Re-Heroisierungsversuche arbeitet auf einen Heroismus orientiert am klassischen Militarismus hin. Diese Situation erinnert von ihrer Struktur her an die Konkurrenz und Kooperation beim Soldatenbild während der Etablierung der Bundeswehr: Die Traditionalisten lehnten sich hierbei unverhohlen an die Wehrmacht an, während die Reformer den Staatsbürger in Uniform propagierten. Schlussendlich haben beide zum Aufbau der Bundeswehr beigetragen. Diese Art der Konkurrenz und Kooperation dürfte sich im Verhältnis der Befürworter der Re-Heroisierung – in den beiden Ausprägungen der heroischen und postheroischen Gesellschaft – ähnlich gestalten. Für beide Formen der Re-Heroisierung der Gesellschaft ist eine Gegenstrategie der Ent-Heroisierung richtig. Denn auch diejenigen, die eine ›richtige‹ postheroische Gesellschaft anstreben, wollen keine unheroische Gesellschaft – dazu muss man sich nur die USA und GB anschauen -, sondern sind lediglich eben ›smarter‹ in den propagierten Formen des Heroismus.

Aber die Unsicherheit der Leute wie Münkler und Co, und der PolitikerInnen, die diese Leute zu Hilfe rufen, ist unübersehbar. Gerade diese Unsicherheit jener Freunde der postheorischen Gesellschaft bietet zusätzliche Gelegenheit antimilitaristischer Interventionen, um die kriegsunterstützende Wirkung der Re-Heroisierung dieser Couleur zu sabotieren. Diese Möglichkeit sollte nicht verspielt werden, weil man keine Differenzierung zu denjenigen macht, die einfach ein Zurück zur klassischen heroischen Gesellschaft fordern.

Eugen Januschke ist promovierter Semiotiker und Mitglied der DFG-VK in Berlin.