Coole Sache: GelöbNIX mal anders. Ein Resümee

Es war die goldrichtige Entscheidung, statt der „traditionellen“ GelöbNIX-Demo lieber eine open-air-Videokundgebung in Kreuzberg zu veranstalten. Fernab von den strammstehenden Idioten am Reichstag konnten wir einigen Hundert Menschen eine angenehme Mischung aus antimilitaristischer Kritik und spöttisch-ironischen Videos präsentieren. Wie schon mehrfach an dieser Stelle erläutert, trauen wir diesen Bundeswehrgelöbnissen nicht mehr die Fähigkeit zu, wirksame Propaganda fürs Militär zu entfalten. Das ist nur noch eine Farce; eine Form, die Traditionsgelüste konservativer Politiker/Generäle zu befriedigen.
Wir geben hier eine kurze Einschätzung des Kundgebungsabends, einen Überblick über einschlägige Presseberichte und Reden (zwei von den Offiziellen, eine von uns).

Unsere Einschätzung, das Gelöbnis sei keine wirksame Propaganda mehr, führte unmittelbar zu unserer Entscheidung, dann auch keine Demo dagegen zu führen. Das würde die Show der Bundeswehr nur aufwerten. Die Presseberichterstattung bestätigt uns darin: Da ist keine Spur von Hochachtung gegenüber den Soldaten zu spüren. Stattdessen haben so gut wie alle Medien berichtet, dass zwischen 14 und 20 Prozent jener „Freiwilligen“, die am 4. Juli angefangen haben, schon wieder gekündigt haben. Sehr schön…
Hinzu kommt natürlich, dass sich Polizei und Gerichte sowieso darauf geeinigt haben, keine antimilitaristische Demonstration mehr zuzulassen, die sich in Hörweite der Bundeswehr befinden darf. Sich auf dieses Spiel einzulassen, wäre nicht nur frustrierend. Es könnte auch als Signal aufgefasst werden, dass die Demokratie noch nach wie vor funktioniert, weil es ja „irgendwo“ eine Gegendemo gibt. Deshalb sprachen wir von der „Simulation von Pluralismus“, die wir nicht mitmachen wollten, und deshalb haben wir uns darauf beschränkt, uns einen politisch-gemütlichen Abend in Kreuzberg zu machen.

Die Videokundgebung erlaubte es uns, erheblich mehr Leute anzusprechen als bei einer „GelöbNIX“-Demo irgendwo am Potsdamer Platz. Videos interessieren die Leute, es blieben viele PassantInnen stehen, die auch von den launigen Beiträgen Dr. Seltsams angetan waren. Es ist schwer zu schätzen, wie viele Menschen insgesamt da waren. Zwischen 20 Uhr und 22.30 Uhr waren es zu jedem Zeitpunkt zwischen 100 und 150, und wenn man die Fluktuation einbezieht – na jedenfalls mehrere Hundert.
Halbwegs kritisch berichtete die taz über das Gelöbnis. Dieses ja durchaus bundeswehr-affine Blatt dürfte das gleiche Bedürfnis umtreiben wie die Partei Die Grünen: Sie wünschen sich die Bundeswehr als moderne Armee, die überflüssigen Ballast wie eben solche anachronistischen Militärrituale abwirft. Das war, wie hoffentlich allen klar ist, noch nie unser Problem: Wir sind nicht für modernisierte Rituale, sondern für die Abschaffung der Bundeswehr. Uns interessiert weniger, ob sie im antiken Stechschritt oder per modernem Segway den Reichstag umkreisen, sondern, dass sie in Afghanistan Morde begehen.
Solche Sorgen treibt die Springer-Presse nicht um. Die Berliner Morgenpost gehört allerdings zu den Blättern, die nicht nur die diversen Veranstaltungen beleuchtete, sondern auch die 20-Prozent-Abgangsrate bei der Bundeswehr erwähnte (alles ganz normal, sagt die Bundeswehr…).
Die junge Welt griff ausführlich den Ruf unseres Staatsoberhaupts (Wulff!) nach einer Militarisierung der Gesellschaft auf. Seine Rede hier
, und dann noch dieser Hinweis: Auch der „Verteidigungsminister“ hat sich zu Wort gemeldet`
Das Wort „Dienen“, klinge „heute für viele etwas altmodisch. Ich finde das nicht“, sagte er. Naja, de Maizière verkörpert auch den knochentrockenen Bürokraten, dem man das sofort abnimmt. Interessanter ist schon, was er nicht sagte: Dass die Bundeswehr in aller Welt für Menschenrechte, Brunnenbauen, Mädchenschulen usw. fechte. Der nähert sich doch nicht etwa dem Eingeständnis von Ex-Präsident Köhler an, dass es doch eigentlich eher um die Interessen der großen Konzerne gehe?
Was Dr. Seltsam diesen Staatspappnasen alles zu entgegnen hatten, war alles spontan und ist nicht schriftlich überliefert. Aber es sei hier noch die Rede eines DFG-VK-Vertreters wiedergegeben (das Manuskript), der sich Gedanken darüber machte, inwiefern die Wehrmachts-Offiziere des 20. Juli die richtigen Vorbilder für die Bundeswehr sein könnten: Eine Bombe aufs Hauptquartier, wenn der Krieg verloren geht, das wäre doch angesichts der Niederlage in Afghanistan eine Tat für Oberst Klein.