Bundeswehrgelöbnis – Ein Akt politischer Onanie

Warum ist die Bundeswehr eigentlich so erpicht darauf, ihre paar Freiwillig Wehrdienst Leistenden vor den Reichstag zu karren? Wir haben anlässlich früherer Gelöbnisse mehrfach auf die Funktion eines „Feierlichen Gelöbnisses“ aufmerksam gemacht: Es soll einerseits den inneren Zusammenhalt der Truppe verfestigen. Ein Gemeinschaftsgefühl wie weiland am Lagerfeuer, eine im wahrsten Sinn des Wortes eingeschworene Gemeinschaft stiften. Andererseits soll auf die zivile Öffentlichkeit eingewirkt werden: Auf dass der Michel und seine Frau geistig Haltung annehmen, wenn ihre Wehr aufmarschiert, auf dass der Stolz aufs Vaterland zur Geltung komme.


Oder anders ausgedrückt: Das Militär fordert seinen – überhöhten – Stellenwert in der Gesellschaft ein, symbolisch-praktisch, indem es mittenmang in diese hineinplatzt. Das Reichstagsgebäude („Dem deutschen Volke“) symbolisiert gewissermaßen die Mitte unserer Republik, und genau dort macht sich die Bundeswehr breit.

Diese Form der politischen Propaganda muss auch heute ernst genommen werden und verdient grundsätzlich Protest und Widerstand. Wo die Bundeswehr in die Öffentlichkeit geht, sollte ihr grundsätzlich entgegentreten werden.
Wir glauben allerdings nicht, dass das bevorstehende Berliner Gelöbnis tatsächlich eine – aus Sicht der Bundeswehr – wirkungsvolle Öffentlichkeitsarbeit darstellt. Es „funktioniert“ nicht. Denn die alljährliche Wiederkehr der ewig gleichen Inszenierung hat den Reiz des Neuen schon längst verloren, da geht auch Leuten, die ansonsten militärfreundlich gesonnen sind, nicht mehr das Herz auf. Das Gelöbnis wird in Berlin überwiegend als ärgerliches Verkehrshindernis wahrgenommen: Es produziert lange Staus im Feierabendverkehr, und die Touristen kommen auch nicht mehr durchs Brandenburger Tor. Reklame fürs Militär ist das nicht.

Hinzu kommt der Charakter speziell des diesjährigen Gelöbnisses: Es ist ein Behelfsereignis aus zweitklassigen Darstellern. Wie auf dieser Seite schon geschildert (Gelöbnis – Etikettenschwindel) gibt es ja Wehrpflichtige, die ein Gelöbnis leisten können, nicht mehr. Die Freiwillig Wehrdienst Leistenden, die am 20. Juli vorgeführt werden, sind faktisch Zeitsoldaten, die laut Soldatengesetz eigentlich einen Eid zu leisten hätten (aber eben kein Gelöbnis).

Die Gefahr, dass das Gelöbnis noch als Mittel eingesetzt wird, mit dem eine möglicherweise indifferente Öffentlichkeit gewissermaßen mit aufs Militär eingeschworen wird, sehen wir in diesem Spektakel nicht. Wir konstatieren vielmehr, dass die Bundeswehr an alten Formen festhält, auch wenn ihr Inhalt entweder extrem reaktionär ist, oder, wie in diesem Fall, schlichtweg nicht mehr vorhanden.
Was bleibt, ist eine Veranstaltung, bei der sich konservative PolitikerInnen und Generäle Frischfleisch bringen lassen, um sich selbst an dessen Anblick zu erfreuen. Die Propaganda, die dem Spektakel innewohnt, wirkt nur noch nach „innen“, auf die Militär-/Politiker-Clique selbst. Das Gelöbnis wird zu einem Akt politischer Onanie. Dieser unappetitlichen Veranstaltung bleiben wir dann doch lieber fern – aber nicht, ohne der Öffentlichkeit ein Angebot zu machen, ein besseres Programm zu erleben: Deswegen auf zu unserer Videokundgebung!